Panoptikum
Stadtgründungsfest meets Boogie-Bären in den 60-ern
Alle Jahre wieder... Nanu? Runde Geburtstage gibt’s doch nur alle heilige Zeiten, oder? - Schon klar, 2008 haben wir das ganze Jahr hindurch den Stadtgeburtstag von München gefeiert (850 Jahre), aber jedes Jahr im Juni feiern wir „Stadtgründungsfest“: Das Stadtgründungsfest erinnert an eben diese Gründung der Stadt München, die mit dem Augsburger Schied von Kaiser Friedrich Barbarossa am 14. Juni 1158 (erstmals) urkundlich belegt ist. Soviel zu unserem Bildungsauftrag.
Hauptsache, es gibt etwas zu feiern! Ohne Boogie-Bären geht da natürlich gar nichts... Und wo wir sind, herrscht Jubel, Trubel, Heiterkeit! Aber wir können ja nicht überall sein. Oder besser: Wir sagen's nicht jedem, ob und zu wievielt wir sind, und erst viel, viel später: ob überhaupt da! Wir wissen es ja selbst nicht. Aber fangen wir das Chaos ganz von vorne an:
Das Stadtgründungsfest fand 2010 vom 12. - 13. Juni statt. Das stand fest. Die „Roaring Zucchinis“ sollten am Samstagabend, „Marty & die Rocking Comets“ am Sonntagabend am Max-Joseph-Platz auftreten. Das stand relativ fest. Aber auch nur vom Hörensagen, denn laut Internetrecherchen sollten dieses Jahr am Max-Josephs-Platz die Themen „Wirtschaftswunder“ und „Zeitreise in das Jahr 1960“ behandelt werden. (Übrigens: Weil das Tourismusamt heuer sein 50-jähriges Bestehen feiert... - Bildungsauftrag!) Wie man in die 60-er Jahre die angekündigten Showacts verpacken wollte, war mir zwar ein Rätsel, aber Gott-sei-Dank (zumindest bis zu diesem Zeitpunkt) nicht mein Bier. Auch, als ich von meinem Glück erfuhr, dass am Sonntag, den 13.06., von 17:30 bis 18:00 die Bühne für die Boogie-Bären zur Verfügung stünde und somit unsere unermüdliche Rita sämtliche Turnier- und Showgruppen des Vereins zu einem Auftritt zu motivieren suchte, hielt ich meine Bedenken zum Thema Swing vs. 60-er Jahre klugerweise zurück. Denn: Ich war mit von der Partie! Auf gut deutsch: Ich hatte andere Sorgen...: Sitzt der Bauchspeck noch? Welches Lied kann ich im Schlaf? Auf welches Lied kann ich eigentlich tanzen? Kann ich überhaupt tanzen? Wie schreibt man „tanzen“...? Welcher Idiot hat den Takt erfunden?
All diese Fragen sind übrigens bis dato unbeantwortet geblieben. Doch am Sonntag Nachmittag (Der Himmel war schon bedrohlich ergraut.) erwartete mich am Bronzedenkmal des Königs Maximilian I. Joseph von Bayern zwischen Oper und Residenz eine Überraschung: Neben einigen Oldtimern des Automobilclub München war eine ca. 4m x 6m große überdachte Bühne aufgebaut, auf der eine (überraschend gute) A-Capella-Gruppe Impressionen aus den 50-ern bis 70-ern zum Besten gab, umringt von etwa 100-150 Zuschauern. Und wo waren unsere Boogie-Bären? Sie tanzten natürlich. Die „Piazza“ am Max-I-Denkmal ist aufgrund des isarbett-artigen Straßenbelags nun nicht gerade ein Tanzparkett, aber wozu gibt es Denkmäler? So umtanzt wurde der König sicherlich zu Lebzeiten (1756-1825 – Bildungsauftrag!) noch nie. Ob A-Capella-Chor, Modenschau oder einfach nur Aufwärmen im Regen: Die Boogie-Bären tanzten! Rita hatte es wie durch ein Wunder (wahrscheinlich dank ihrer Nervenstärke) geschafft, aus allen Bereichen des Boogie-Bären-Vereinslebens ca. 30 verschiedene Vertreter ihrer Ressorts zu aktivieren: Die Boogie-Passion, Ralph's Turnier-Kids, die Spinning Pumpkins, die Zoot-Suit-Riot-Gruppe („Betreutes Tanzen“), TrankyDoo, Boogie- und Lindy-Turniertänzer sowie engagierte Hobby“aktivisten“.
Dass der eine oder die andere bis vor wenigen Stunden noch gar nicht ahnten, bei dieser Veranstaltung mitzuhoppeln, oder dass Rita erst am Sonntag Vormittag die Auftrittsmusik komplett vorlag, war angesichts dessen, was dem Publikum dann letztendlich dargeboten wurde, unvorstellbar: Die Boogie-Passion eröffneten mit „Aces Swing“ (The Jive Aces, 1999), dann die Turnier-Kids Vanessa&Paul, Samantha&Richard, Regina&Lukas mit „Santa Rosa Rita“ (Brian Setzer, 1968). Es folgten die Zoot-Suit-Gruppe (Gerda&Peter, Eva-Maria&Alex) mit „Sing Sing Sing“ (Robert Kraft/Louis Prima, 1936), Katrin&Harald als Solopaar überraschten mit einem Boogie mit „Black Boy Jackie.“ (Die Spätheimkehrer, ca. 1994) sowie der „TrankyDoo“-Truppe (Margit, Peter, Ina) mit dem gleichnamigen Line Dance auf „Tia Juana“ (Bud Freeman, 1940). Dann wieder in die 60-er mit der Zoot-Suit-Riot-Gruppe und „Are you with me?“ (Mel Robbins, 1959). Die Spinning Pumpkins (Claudia&Horst, Mirjam&Erich) ergänzten mit Conny Francis und „Ich komm nie mehr von Dir los“ (1960) und die Boogie-Passion holten mit „Shake your tail feather“ (Ray Charles / Blues Brothers, 1980) das tobende, inzwischen auf ca. 200 Köpfe angewachsene Publikum wieder in den Zeitreisezug. Den Abschluss sollten noch Mal unsere Kids mit „Barefoot“ (Ray Collins Hot Club, 2006) bilden, aber München lies die Bären nicht mehr gehen: Weder „Panoptikum“ (Hazy Osterwald-Sextett, 1959), „Rock around the clock“ (Bill Haley, 1956) oder „Satellite“ (Lena, 2010), noch „Das hab ich von den Bär'n gelernt“ (Chris Howland feat. Horst Gampfer, 1959/200?) erinnerten das Auditorium an „Ende“ oder „Schluss“. Die einzigen Worte, die während der Jam Session fielen, waren „Zugabe“!
Schließlich erlöste uns das Tourismusamt von dem etwaigen Dilemma, keine Musik mehr anbieten zu können, mit dem Hinweis auf den strengen Zeitplan und dem nächsten Programmpunkt. Und uneigentlich erpresste es die erwachsenen Akteure mit einem Gratissekt an der Sektbar. Na, bevor wir uns schlagen lassen...
Petrus jedenfalls schien das Stimmungshoch rund um Max I. Joseph von Bayern auch gefallen zu haben. Tatsächlich hatte es erst wieder zu regnen angefangen, als wir unter den Sektsonnenschirmen standen und Marty & die Rocking Comets beim Aufbau beobachteten - oder eher bemitleideten... Die Emailadresse von Petrus solltet Ihr am besten bei Rita erfragen, denn die Organisatorin scheint nicht nur ein gutes Händchen für das Unmögliche zu haben, sondern auch einen guten Draht nach oben. Ein Hoch auf diesen gelungenen Auftritt!
Eure
Gerda Reidinger
PS: Wer nette Bilder hat, bitte schicken :-)